Faschingskomitee Gratwein-Straßengel
 

Die Chronik des Faschingskomitees Gratwein-Straßengel

Seit mehr als zwei Jahrzehnten dürfen wir Narren in Judendorf Straßengel unser Unwesen treiben.
Nur, wie ist der Verein entstanden?

Böse Zungen könnten behaupten, dass die Idee aus einer sogenannten „Spritzerlaune“ heraus geboren wurde. Denn 1986, als beim Faschingsumzug 50 maskierte Kinder als Teilnehmer quasi zwangsverpflichtet werden mussten, kamen ein paar kreative Köpfe auf den Gedanken, dass es einfach zu wenig ist, sich nur darüber zu mokieren, dass niemand etwas Gescheit es auf die Beine stellt und haben daraufhin das Faschingskomitee gegründet. Zu allererst war es allerdings kein eigener Verein, sondern nur eine Sektion des Fremdenverkehrsvereines, die sich aber alsbald voller Tatendrang als eingetragener Verein an die Arbeit machte. Im Jänner 1987 wurde mit einer Werbefahrt und einer Pressekonferenz die Bevölkerung wachgerüttelt und daraufhin mit drei Veranstaltungen - der Gemeindebesetzung durch die Narren, dem Faschingsumzug und dem Faschingsbegräbnis - der Fasching „NEU“ in Judendorf Straßengel eingeleitet.

Jeder Narr, der sich in den Dienst des Faschings stellt, hat im Grunde genommen einen gewissen Drang zur Selbstdarstellung – sei es auch, im geschichtlichen Sinne, dass ein Narr das Recht hat das laut auszusprechen, was sich viele denken, aber keiner wirklich sonst zu sagen traut. Somit war es für den Verein ein großes Glück, dass im Jahr 1994 die Mehrzweckhalle eröffnet wurde und wir Narren nun endlich auch eine große Bühne zur Verfügung hatten, um bei einer Faschingssitzung unsere über die Zeit gesammelten Erlebnisse und Gedanken einem doch recht großen Publikum vorzuführen. Die Vorreiter und Protagonisten dieser allerersten Faschingssitzung waren: Inge und Hubert Spörk, Romana und Alois Hadler, Helga und Paul Salvet, Anette und Siegmund Rauscher, Erika und Hubert Srienz, Elfriede und Rudolf Koller, Karla und Franz Schett, Jeannette und Alfred Ranner, Andrea und Hans Kniepeiss, sowie selbstverständlich viele freiwillige Helferlein.

Wie gesagt hat unser Verein doch auch schon ein paar Jährchen auf dem Buckel und wir dürfen stolz darauf sein, dass wir mittlerweile doch einen ganz schönen Verschleiß an Präsidenten hatten! Denn, jeder Künstler lebt ständig mit seinem „organisiertem Chaos“ im Kopf und obwohl wir eine reine Laientruppe sind, so ist doch ein jeder von uns dem Künstlerischen so zugetan, dass es nicht immer leicht ist, uns als Verein zu führen. Sie mögen nicht im Dunklen verborgen bleiben, denn ein jeder von ihnen hat großartige Arbeit für den Verein geleistet. Die Präsidenten (bisher) in chronologischer Reihenfolge: Hans Kniepeiss, Günther Jörgl, Franz Schett, Ernst Stocker, Ing. Rainer Pongratz und frisch seit 2009 Heribert Ebner.

Im Laufe der Jahre haben sich die Veranstaltungen unseres Vereines verändert bzw. wurden ausgedehnt, sodass wir heute mit dem Gemeinderundgang, also dem offiziellen Faschingsbeginn am 11.11., dem Krampuskränzchen, zwei Faschingssitzungen und dem Faschingsumzug über vier Monate pro Jahr hinweg die Bevölkerung im wahrsten Sinne des Wortes zum Narren halten dürfen.

Mit Sicherheit der größte Punkt unserer Veranstaltungen sind die beiden Faschingssitzungen und wir oft werden wir gefragt, wie denn so ein bunter Abend entsteht. Viele sind ja der Meinung, dass wir einige unserer Programmpunkte ganz einfach aus dem linken Ärmel schütteln, aber dem ist leider meist nicht so. Denn wir sind sehr auf das Leben und Treiben im Ort angewiesen! Wenn wir zum Beispiel das Glück haben, dass im Laufe eines Jahres dem Pfarrer und dem Standesbeamten der Führerschein „gezupft“ wird, so ist das natürlich ein gefundenes Fressen für uns! Aber solche Highlights passieren natürlich nicht ständig und somit sind wir das ganze Jahr über auf der Lauer, um passendes Material für unsere Sketsches zu finden. Gut, es reicht auch schon mal, wenn jemand versucht an einem Sonntag aus dem Unimarkt ein „Drive-In-Geschäft“ zu machen und mit seinem PKW kurzerhand die Türe öffnet. Doch die meisten „Gschichterln“, die wir dann in mehr oder weniger überspitzter Form an die Frau und den Mann bringen dürfen, entstehen bei einem gemütlichen Zusammentreffen in großer oder auch mal in kleinerer Runde, wo bei dem altbekannten Satz „du, hast schon gehört...“ die Ohren und auch die Bleistifte gespitzt werden, und prompt entsteht ein neuer Sketsch. Nachdem aber nicht nur gesprochen werden soll, sorgen wir auch mit der ein oder anderen musikalischen Untermalung das Programm ein Wenig bunter zu gestalten.

Ein großer Fixpunkt unserer Faschingssitzung ist mittlerweile die sogenannte große Tanznummer, wobei sich da auch schon einige Choreographinnen an unseren mehr oder minder perfekten Tanzkünsten die Zähne ausgebissen haben – wobei man dazu sagen muss: das Endergebnis war stets mehr als zufriedenstellend!

Eine kleine Geschichte hierbei sei erzählt. Es war eines schönen Tages, als sich unsere derzeitige Choreographin Dagmar Adam-Mayerhofer in den Sinn gesetzt hat, das Musical Falco meets Amadeus mit uns auf die Faschingsbühne zu bringen. Schön und gut, nur waren dafür aufwändige Kostüme von Nöten, die wir uns dankenswerterweise relativ günstig vom Grazer Schauspielhaus ausborgen durften. So hatten wir einen Termin vereinbart, um unsere Damenriege kostümtechnisch ins rechte Licht zu rücken. Natürlich waren alle ganz aufgeregt, denn ist es nicht der Traum eines jeden Mädchens einmal in so einem wunderschönen Sissi-Kleid mit Perücke und allem drum und dran einen großen Auftritt zu haben? Grundsätzlich ja. Aber! Denn wer sich schon mal im Fundus des Schauspielhauses umgesehen hat, muss unweigerlich zu dem Schluss kommen, dass sämtliche Schauspieler und Akteure an akuter Unterernährung leiden! Somit war es für diejenigen von uns, die zwar figurtechnisch leicht ins Barocke gehen und damit ja prädestiniert für die „Sissi-Kleider“ waren, beinah wie eine Suche nach dem heiligen Gral, um endlich in dem riesigen Kindergrößenfundus ein passendes Kostüm zu finden! Schlussendlich hat es sich aber mehr als rentiert, denn die Musical-Nummer „Falco meets Amadeus“ ist bis heute eines unserer absoluten Highlights. Dennoch ist die Suche nach dem richtigen Outfit, über Makeup und Perücken jedes Jahr aufs Neue genauso wichtig, wie die Suche nach dem richtigen Text (den man übrigens auch schon mal auf der Bühne suchen kann...).

Eine langjährige „Stilberaterin“ des Faschingskomitees war die Gattin unseres bisher am längsten amtierenden Präsidenten Ernst Stocker, seine Renate. Wir konnten uns sicher sein, dass die meisten unserer Wunschkostüme zu fad, vor allem aber zu dunkel waren. Zitat: „Du kannst dich ja nicht schwarz anziehen, wenn der Hintergrund schwarz ist!“ Ok, grundsätzlich ist das ja richtig, denn eine richtige „Rampensau“ will sich auf der Bühne ja tatsächlich nicht verstecken, was zu dem Ergebnis führte, dass unser eigener Kostümfundus nur so wimmelt von bunten Mänteln, Kittelschürzen, Röcken, Kleidern, leuchtend bunten Hosen, sowie Hawaiihemden.

Nur was ist schon das beste Kostüm (und wenn es noch so bunt ist), wenn der Kopf nicht dazu passt?! Aus diesem Grund herrscht bei uns während der Faschingssitzung in der Garderobe stets hektisches Treiben,
wenn unsere Garderobenfee und ehemaliger Judendorfer Figaro Resi Fuchs und ihr Team uns toupiert und feststeckt, pudert und zupft und malt und tuscht, damit wir wenigstens im Scheinwerferlicht einmal gut aussehen! Es spielen sich tatsächlich unglaubliche Szenen in der Garderobe ab, sodass wir sogar schon versucht waren, eine Faschingssitzung lang ein Best-of der Garderobenerlebnisse auf Leinwand zu präsentieren – wobei wir aber doch relativ schnell von dieser Idee wieder abgekommen sind, da einfach zu viel zensiert werden müsste.

Dass unsere Resi allerdings schon „gstandene Mannsbilder“ in der Garderobe gewickelt hat, sei erzählt! Da in einem Jahr relativ kurzfristig keine Choreographin für das Männerballett aufzutreiben war, hat sich der damalige Präsident selbst ans entwerfen der Choreographie gemacht und eine entzückende Baby-Blues-Nummer auf die Beine gestellt. Dabei war es von Nöten die Männer in große Windeln zu stecken und nachdem die eigenen Kinder der Männer schon längst selber stubenrein waren, waren sie im Wickeln recht ungeübt und hatten daher mit ihren Windeln doch einige Schwierigkeiten. Aber nicht verzagen, Resi fragen! Kurzerhand wurde der Garderobenboden in eine Wickelstube umfunktioniert und die Männer, die mittlerweile ganz in ihrer Rolle aufgingen und in hysterisches Babygeschrei verfallen sind, wurden von unserer „Mama Resi“ fachmännisch trocken gelegt!

Gut versorgt wurde von ihr auch unsere langjähriger Schauspieler und Moderator Felix Fida, der vor allem für seine Frauenrollen, die er ja über alles liebte, stets top gestyltwurde! Eines schönen Abends wurde aber spontan beschlossen, dass Felix‘ lange Haarpracht einfach nicht mehr unter seine Damenperücken zu stopfen ist und somit wurde kurzerhand der Zopf auf der Bühne abgeschnitten!

Tja, wenn alles stimmt, vom Outfit über das Makeup bis hin zur Stimmung im Saal, kann ja eigentlich gar nichts mehr schiefgehen, oder doch? Es kann. Wenn zum Beispiel der Textteufel seine Finger im Spiel hat, oder wenn Requisiten einfach nicht so wollen, wie der Akteur es gerne hätte! Doch zu unser allem großen Glück springen da sofort unsere routinierten Bühnenarbeiter für uns in die Bresche und retten, was zu retten ist! Sei es, dass ein Akteur bei einer Nummer in einer Mülltonne verkehrt zum Publikum postiert ist, oder ein Liegestuhl plötzlich seinen Geist aufgibt und prompt unter der Aktrice zusammenbricht – da wird sofort umgedreht bzw. aufgeholfen und für einen Ersatz der Sitzgelegenheit gesorgt.

Oder man steht auf der Bühne und steht und schaut und steht und schaut und blickt ganz hoffnungsvoll seinen Partner an, der ja eigentlich mit dem Text dran sein sollte, bis man plötzlich aus dem Hintergrund ein leises Flüstern hört und sein Gesicht daraufhin die Farbe einer Stopptafel bekommt, weil man ja eigentlich selber mit weiterreden dran wäre. Alles schon passiert! Oder man verläuft sich während einer Tanznummer auf der Bühne, weil man plötzlich den Weg nicht mehr weiß. Dann steht man da und müsste eigentlich seinen rechten Arm auf seine Tanzpartnerin stützen, nur... wo ist sie hin? Sie hat sich ganz einfach in dem Moment anders entschieden und stellte sich zu einer anderen Paarung dazu. Oder es gibt mitten im Spiel einen enormen Lärm, weil einer der Musiker ganz plötzlich sein Gleichgewicht verlor und mit großem Aufsehen zu Boden ging. Tückisch sind auch unsere drei Stiegen hinauf auf die Bühne! Da wurde schon zum Auftritt hin gestolpert, dass es gut war, dass ein Tisch die Beschleunigung bremste auf dem sogar der Text geklebt war, dass sofort mit dem Sprechen begonnen werden konnte. Oder aber, wenn unseren Moderatoren die Spritzer serviert werden sollten und das Anprosten mit dem Publikum spontan auf den nächsten Moderationsblock verschoben werden musste, weil die charmante Kellnerin ein kleines Problem mit besagten Stufen hatte und es vorzog, die Spritzer mit ihrer Bluse, anstatt mit den beiden Moderatoren zu teilen.

Aber Gott sei Dank ist noch nie etwas wirklich Dramatisches passiert und so können wir mit Glück sagen, dass es genau diese Hoppalas sind, die unsere Faschingssitzung ausmachen!

Und somit möchte ich mit den Worten unseres ehemaligen Regisseurs Franz Nemeth schließen: „Besuchen Sie jede Vorstellung, denn keine ist wie die andere!“

Ein herzliches Plem Plem, Ihr Faschingskomitee Gratwein-Straßengel